Autobranche in Sorge "Sie sind bereit, jeden Preis zu zahlen"

Die Autobranche ist nicht nur bei den Elektro-Modellen von Seltenen Erden abhängig. Jüngste Vorstöße von China lösen Panik aus.
Die weltweite Autoindustrie ist in hellem Aufruhr. Der Grund: Die chinesische Regierung erschwert die Ausfuhr von einigen Seltenen Erden und setzt damit die Branche auf kalten Entzug. Rohstoffhändler berichten von verzweifelten Anrufen der Automanager, die einen Stillstand ihrer Bänder schon Mitte Juli befürchten, wenn sie die für leistungsstarke Magnete wichtigen Materialien nicht bekommen. "Die ganze Autobranche ist in voller Panik", sagte Frank Eckard, Chef des Magnethändlers Magnosphere aus Troisdorf. "Sie sind bereit, jeden Preis zu zahlen, wenn man nur liefern kann."
Die Knappheit weckt Erinnerungen an die Chipkrise, die zwischen 2021 und ungefähr 2023 die Autobranche in Aufruhr versetzte. Millionen Autos konnten nicht gebaut werden, weil Halbleiter fehlten. Jetzt richten Unternehmen wieder Krisenstäbe ein. Die Exportrestriktionen stehen bei den Handelsgesprächen zwischen den USA und China an oberer Stelle. Nach Angaben des Zuliefererverbandes Clepa stehen bei den ersten Zulieferern bereits Bänder still. "Früher oder später trifft es jeden", sagt Clepa-Generalsekretär Benjamin Krieger.
Vor allem Hilfsmotoren betroffen
Betroffen von den strengeren Ausfuhrregelungen sind sieben Elemente, die zu den schweren Seltenen Erden zählen. Neodym, das in vielen Motoren ebenfalls eingesetzt wird, kann zumindest derzeit ohne Genehmigung ausgeführt werden. Ein Experte bei einem Autozulieferer verweist jedoch darauf, dass es aus technischen Gründen kaum möglich sei, reines Neodym zu produzieren, sondern dass die anderen Elemente immer in Spuren enthalten seien. Weil die Grenzwerte so niedrig eingestellt seien, müsse dann doch eine Genehmigung eingeholt werden.
"Das Problem ist riesengroß", sagt der Einkaufschef eines deutschen Autozulieferers. Es geht zwar nur um wenige Hundert Gramm, die nach Angaben der Internationalen Energieagentur IEA in einem Auto verbaut sind. Sie sind in leistungsstarken Magneten für Elektromotoren enthalten, wie sie etwa in Fensterhebern, der elektrischen Lenkung, Lautsprechern, Scheibenwischern oder der Ölpumpe benötigt werden.
Gerade bei den Hilfsmotoren, die etwa in Autotüren oder in der Lenkung eingebaut sind, gebe es keine Alternativen, die genauso leistungsstark und platzsparend seien, sagt der Manager. Weil die Exportlizenzen nur für Magnete nötig seien und nicht für fertige Motoren, prüfe sein Unternehmen derzeit, die Produktion umzustellen und die ganzen Motoren aus China zu beziehen.
China mit Marktanteil von bis zu 90 Prozent
Andere Unternehmen arbeiten an Lösungen, die ohne Seltene Erden auskommen. So hat Warwick Acoustics einen entsprechenden Lautsprecher entwickelt, der in diesem Jahr in einem Luxusauto zum Einsatz kommen soll. Warwick-Chef Mike Grant sagte, man spreche mit einem Dutzend weiterer Autobauer. Bis die Lautsprecher in Volumenfahrzeugen eingebaut werden, dürfte es noch Jahre dauern.
Viele andere Möglichkeiten gibt es nicht. China kontrolliert das Geschäft. Bis zu 70 Prozent der Seltenen Erden werden nach Angaben von Alix Partners in der Volksrepublik abgebaut, bei der Weiterverarbeitung kommt China auf einen Marktanteil von bis zu 90 Prozent. Zwar produzieren einige Unternehmen wie etwa Neo Performance Materials Magnete außerhalb Chinas, doch das Volumen reicht bei weitem nicht aus. Bis neue Lagerstätten etwa im Norden Schwedens erschlossen werden, dauert es noch Jahre.
"Trumpf in der Hand"
Die Regierung in Peking weiß um die Abhängigkeit und nutzt das Thema politisch. So wurde etwa 2010 in einem Streit mit Japan die Ausfuhr von Seltenen Erden gedrosselt. Nun stehen die Rohstoffe bei den Handelsgesprächen zwischen den USA und China oben auf der Tagesordnung. "China hat bei den Seltenen Erden den Trumpf in der Hand und kann ihn spielen, wann immer es will", sagte Mark Smith, Chef von NioCorp, einem Unternehmen, das im US-Bundesstaat Nebraska binnen drei Jahren mit der Produktion von schweren Seltenen Erden beginnen will. Die jüngsten Einschnitte aus China seien absolut erwartbar gewesen.
Die Europäische Union hat Initiativen auf den Weg gebracht, um die Versorgung zu verbessern, einschließlich des Critical Raw Materials Act. Aber sie habe sich nicht schnell genug bewegt, sagte Noah Barkin, Berater beim auf China fokussierten Think-Tank Rhodium Group. Ein weiteres Problem: der Preis. "Wir haben derzeit keine Nachfrage nach alternativem Material außerhalb Chinas, weil das schlichtweg zu teuer ist", sagt David Bender, Co-Chef des Recyclingunternehmens Heraeus Remloy.
"Das ist gerade mal ein Warnschuss"
Sein Unternehmen betreibt in Bitterfeld in Sachsen-Anhalt Europas größte Recyclinganlage für Seltenerdmagnete. Die Kapazität liegt bei 600 Tonnen im Jahr und sollte ursprünglich mittelfristig auf 1.200 Tonnen erweitert werden. Allein: Derzeit liegt die Auslastung gerade einmal bei einem Prozent.
Unternehmerisch lasse sich das Problem nicht lösen, dazu seien die Kapazitäten in China zu groß und die Gegebenheiten am Markt für China zu günstig. "Wir brauchen eine Verpflichtung, dass Recyclingmaterial oder andere Alternativen zu Material aus China eingesetzt werden, etwa über eine fixe Quote", sagt er.
Dies sei nötig, selbst wenn die Lieferungen aus China wieder einsetzen. Einem Bericht der EU-Kommission aus dem Jahr 2024 zufolge kontrolliert China auch bei zahlreichen anderen kritischen Rohstoffen den Weltmarkt, etwa bei Mangan, Grafit und Aluminium. Andy Leyland, Co-Gründer des Lieferkettenspezialisten SC Insights, sagte, all diese Elemente könnten von China als Druckmittel genutzt werden. "Das ist gerade mal ein Warnschuss."
- Nachrichtenagentur Reuters